Neueste Urteile des Bundesgerichts
Hier finden Sie die aktuellsten Urteile des Bundesgerichts (BGer) von bger.ch. Für die ersten drei Urteile präsentieren wir Ihnen ausführliche Zusammenfassungen mit Sachverhalten, Erwägungen und Dispositiven. Bei den weiteren Urteilen finden Sie jeweils eine Zusammenfassung des Sachverhalts. Die vollständigen Zusammenfassungen aller Urteile sind im Portal von Lexplorer verfügbar. Dort können Sie ihren Newsletter konfigurieren und Sie erhalten die neuesten Urteile individuell angepasst an Ihre Rechtsgebiete.
2C_587/2023: Urteil betreffend abstrakte Normenkontrolle zur kantonalen Gesetzgebung über öffentliche Märkte
Zusammenfassung des Sachverhalts
Die Klägerinnen – eine Interessenvertretung und mehrere Personalverleihfirmen – reichten eine abstrakte Normenkontrolle gegen die Artikel 9 und 10 der neuen kantonalen Gesetzgebung über öffentliche Märkte (LCMP/NE) ein, die vom Grossen Rat des Kantons Neuenburg verabschiedet wurde. Diese Bestimmungen schränken die Nutzung von Leiharbeitnehmern bei öffentlichen Bauprojekten ein. Die Klägerinnen argumentierten, dass die fraglichen Artikel gegen übergeordnetes Recht wie das interkantonale Übereinkommen über öffentliche Märkte (AIMP), Bundesrecht und internationale Übereinkommen verstossen. Das Bundesgericht prüfte die Zulässigkeit der Bestimmungen und entschied teilweise zu ihren Gunsten.
Zusammenfassung der Erwägungen
Das Bundesgericht ist für die abstrakte Normenkontrolle zuständig, da nach kantonalem Recht keine innerkantonale Anfechtung möglich ist. Die Klägerinnen hatten ausreichend begründete Interessen und erfüllten die Voraussetzungen der LTF, weshalb auf das Gesuch eingetreten wurde.
Zusammenfassung des Dispositivs
Das Bundesgericht hob Artikel 10 auf und wies den Antrag auf Aufhebung von Artikel 9 ab, wobei die Klägerinnen einen Teil der Gerichtskosten tragen müssen.
2C_662/2023: Kontrolle abstrakter Normen des neuchâtelischen Gesetzes über öffentliche Beschaffungen
Zusammenfassung des Sachverhalts
In diesem Fall stellten mehrere Bauunternehmen und Berufsverbände beim Bundesgericht einen abstrakten Normenkontrollantrag gegen Artikel 6 Absatz 2, Artikel 9 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 1 des neuen Gesetzes über öffentliche Beschaffungen des Kantons Neuenburg (LCMP/NE). Die Kläger argumentierten, dass einige dieser Bestimmungen gegen übergeordnetes Recht, insbesondere gegen die Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (AIMP 2019), die Bundesverfassung und weitere Rechtsnormen verstossen. Artikel 10 Absatz 1 LCMP/NE wurde bereits in einem parallelen Verfahren annulliert.
Zusammenfassung der Erwägungen
1. (1.1–1.2.4) Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Verfahrens. Nur die Klägerinnen 2 bis 5 haben qualitativ relevante Interessen für eine abstrakte Normenkontrolle. Artikel 10 Absatz 1 wurde bereits aufgehoben; daher ist der Antrag dahingehend gegenstandslos. 2. (2.1–2.3) Das Bundesgericht erklärt, dass es bei der Beurteilung abstrakter Normen den Vorrang des übergeordneten Rechts wahrt und bei der Auslegung von Bestimmungen zurückhaltend bleibt, besonders wenn Alternativen bestehen, die Rechte nicht verletzen könnten. 4. (4.1–4.8) Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 1 LCMP/NE sind sowohl verträglich mit dem AIMP 2019 als auch notwendige und zulässige Vollzugsbestimmungen. Artikel 6 Absatz 2 konkretisiert das Vorgehen zur Sicherstellung der Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern. Artikel 9 Absatz 1 unterstreicht das Recht des Auftraggebers, bei Ausschreibungen die Subunternehmervergabe und Leiharbeit gezielt zu regulieren. 5. (5.1–5.4) Diese Artikel beeinträchtigen nicht die durch die Bundesverfassung garantierte Wirtschaftsfreiheit (Art. 27, 94 BV), da sie legitime öffentliche Interessen verfolgen und verhältnismässig sind. 6. (6.1–6.3) Die fraglichen Artikel widersprechen nicht der Bundesgesetzgebung zum Binnenmarkt (Art. 3 LMI), da sie alle Anbieter gleich behandeln und keine versteckten Marktzugangshindernisse darstellen. 7. (7.1–7.2) Artikel 9 Absatz 1 ist nicht im Konflikt mit dem Bundesarbeitsrecht (LTr, LSE) oder der Personenfreizügigkeitsvereinbarung (ALCP). Die Norm enthält keine generellen Verbote, sondern ermöglicht gezielte Einschränkungen aus berechtigten öffentlichen Interessen wie der Qualitätssicherung. 8. Die Klägerinnen 2 bis 5 tragen anteilige Verfahrenskosten, und der Kanton Neuenburg erhält eine reduzierte Parteientschädigung wegen des teilweise erfolgreichen Vorverfahrens.
Zusammenfassung des Dispositivs
Der Antrag der Klägerin 1 ist unzulässig, der Antrag gegen Artikel 10 Absatz 1 ist gegenstandslos, und die Klägerinnen 2 bis 5 haben die Kosten zu tragen.